Was ich bei meiner kleinen Lesereise nach Dresden letztes Wochenende noch alles hätte sagen können, aber nicht gesagt habe, weil ich nicht dazu kam oder weil es mir erst hinterher wieder (oder überhaupt erst) einfiel. Also das, was früher einmal Treppenwitz hieß: nicht unbedingt lustig, aber auf jeden Fall zu spät.
Am Montagabend bei der Lesung im sog. QF-Hotel (steht, hieß es, für „Quartier an der Frauenkirche“), während vor der Tür eine Kundgebung der PEGIDA stattfand, mit angeblich 10000 Teilnehmern, sodass immer wieder dumpf die „Wir-sind-das-Volk“-Chöre nach drinnen drangen, während ich über die Montagsdemonstrationen des Jahres 1989 las („ein schöner Kittler-Moment“, wie das ein aus Berlin angereister Gast der Lesung nannte):
Dass die Tragik dieser Bewegung vermutlich darin besteht, dass sie bisher eigentlich immer nur das Gegenteil dessen erreicht hat, was sie lt. Programm will. Die Auseinandersetzung mit der Herausforderung durch den Islam in Deutschland scheint mir seit PEGIDA eher schwieriger und zögerlicher geworden. Es scheint auch fast so, als sei die für den Rest der Welt überraschende Euphorie, mit der die Zehntausenden aus den Flüchtlingstrecks in Deutschland (jedenfalls in den ersten paar Tagen) willkommen geheißen wurden, nicht nur eine Antwort auf die Flüchtlingskrise, sondern mindestens so sehr eine auf „Heidenau“, „Freital“, „Meißen“ und „Dresden“.
„Heidenau“, „Freital“, „Meißen“ und „Dresden“ können sich also zumindest nicht über mangelnde Wahrnehmung und Resonanz beschweren.
Dass Heidenau, Freital, Meißen und Dresden mit „Heidenau“, „Freital“, „Meißen“ und „Dresden“ jetzt vermutlich genauso klar kommen müssen wie Peter Richter, also ich, mit der Tatsache, dass „Peter Richter“ auch ein NPD-Anwalt, ein Schlagersänger und ein Reemtsma-Entführer u.v.m. ist. In manche Namen teilen sich durchaus verschiedenartige Leute; es kommt dann höchstwahrscheinlich darauf an, wer am meisten daraus macht.
Dass am folgenden Tag auf dem Flughafen Dresden-Klotzsche ein Flüchtlingszug am Schalter von „Germania“ anstand, müde, frustriert, in Kleidung wie aus dem Spendencontainer. Aber das waren sächsische Urlauber, die nach Antalya in der Türkei geflogen werden wollten. Es machte den Eindruck, als seien es ähnliche Gesichter, wie die, die das Fernsehen vor den Flüchtlingsunterkünften in Heidenau und Freital gezeigt hat, was grob ungerecht sein mag. Aber das Bild war so sinnfällig, als hätte es ein gewitzter Theatermensch inszeniert. Allerdings war weder René Pollesch zu sehen, noch, wie auf dem Herflug, Robert Koall, der sich bei der Gelegenheit zwar zustimmend über meine Aussagen in der Leipziger Volkzeitung äußerte, vor allem die letzte, selber jedoch leider die Stadt bald Richtung Düsseldorf verlassen wird.
Dass die Leute, die am Schauspiel danach das Ruder übernehmen, aber, glaube ich, auch ziemlich vielversprechend sind.
Dass Leute, die nicht “in die rechte Ecke” gestellt werden wollen, übrigens auffällig häufig “das” schreiben, wo “dass” stehen müsste.
Dass Dresden am Ende dann doch immer wieder sehr, sehr herrlich sein kann, und die allermeisten Leute, die man da trifft, auch. Man muss halt die richtigen treffen.
Und dass Jeff Bezos mit seinem lächerlichen Amazon einpacken kann gegen Susanne Dagen und ihren Mann vom Buchhaus Loschwitz.
Sowie zum Abschluss noch dies:
Dass der Punk, der sich damals „Fehler“ nannte, und, wie ich eben erfahre, heute noch nennt, niemals wie ihm das auf Seite 60 in „89/90“ unterstellt wird, die fiktive Freundin des Erzählers im kirchlichen Jugendtreff P.E.P. angesprochen hat. Dass die Erzählfigur den Spitznamen eines real existierenden Mannes in dem Roman in den Schmutz zieht, ist dem Autor unangenehm.